Eine Eigenbedarfskündigung landet leicht vor Gericht: Die Richter müssen dann die berechtigten Interessen von Mieter und Vermieter sorgsam gegeneinander abwägen. Umso heikler wird diese Aufgabe, wenn das Mietverhältnis im engsten Familienkreis geschlossen wurde. Kann man im Zweifel sogar gegenüber seiner bisherigen Schwiegermutter Eigenbedarf anmelden?
Celle. Es kommt nicht selten vor, dass Eheleute je zur Hälfte Miteigentümer einer Immobilie sind, die sie an nahe Angehörige vermieten. Trennt sich das Ehepaar, kann der zum Auszug aus der ehelichen Wohnung gezwungene Partner vom anderen Partner die Mitwirkung an einer Eigenbedarfskündigung für das Mietobjekt verlangen – mitunter selbst dann, wenn dadurch die alte Schwiegermutter zum Auszug gezwungen wird. Das zeigt jetzt eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Celle (Beschluss vom 19.02.2025, Az.: 21 UF 237/24).
Das Urteil fiel im Rechtsstreit eines Ärzte-Ehepaars aus Niedersachsen. Die Ehepartner lebten in einer 350 Quadratmeter großen Immobilie mit Einliegerwohnung, welche allein der Ehefrau gehörte. Außerdem waren beide Eheleute hälftig Miteigentümer eines 150 Quadratmeter großen Einfamilienhauses, welches sie an die Mutter der Ehefrau vermietet hatten. Die 83 Jahre alte Dame ist Witwe, pflegebedürftig, aber mit einem monatlichen Einkommen von 17.000 Euro ausgesprochen wohlhabend.
Hälftiges Miteigentum: Eigenbedarf gegen Schwiegermutter möglich?
Schließlich ging die Ehe der beiden Mediziner in die Brüche, das Paar trennte sich. Die Frau blieb mit den Kindern im Familienheim wohnen, der Mann musste ausziehen. Er übernachtete zunächst in seiner Praxis, bis Bekannte ihn vorübergehend aufnahmen. Schließlich konnte er im Bekanntenkreis vorübergehend als Untermieter eine Bleibe finden, aber eine dauerhafte Lösung war auch das nicht. Um die zu finden, wollte der Mann seine Schwiegermutter per Eigenbedarfskündigung aus dem Einfamilienhaus werfen.
Er zog vor Gericht um von seiner Noch-Ehefrau zu verlangen, dass sie als hälftige Miteigentümerin des Hauses bei der Eigenbedarfskündigung mitzieht. Doch die Frau weigerte sich, schließlich habe der Mann noch eine Stadtvilla – die sich allerdings, nach dessen Aussage, noch im Bau befindet. Dort soll dereinst auch die Praxis einziehen, aber bisher fehlt dafür das Geld, wie der Arzt vor Gericht aussagte. Vor dem Amtsgericht scheiterte die Klage auf Mitwirkung an der Kündigung allerdings.
Gericht entscheidet: Eigenbedarf gegen Schwiegermutter durchsetzbar
Das Gericht stellte fest, dass die Mieterin als Mutter der Miteigentümerin zu jenem Personenkreis gehört, für welchen die Frau ihrerseits Eigenbedarf anmelden könnte. Außerdem hätte der Arzt seinen Eigenbedarf nicht hinreichend dargelegt. Das Oberlandesgericht (OLG) Celle sah das allerdings anders. Es entschied, die Frau müsse an der Eigenbedarfskündigung gegen ihre Mutter mitwirken. Der Eigenbedarf des Miteigentümers war für das Oberlandesgericht hinreichend belegt.
Schließlich war sein aktuelles Untermietverhältnis befristet und es sei ihm nicht zuzumuten, auf Dauer in seiner Praxis zu leben. Das Gericht glaubte dem Arzt auch seine Ausführungen, dass der Einzug in die im Bau befindliche Villa derzeit nicht möglich ist. Vor diesem Hintergrund sei es dem Mann als Miteigentümer des Einfamilienhauses nach der Trennung nicht mehr zuzumuten, das Mietverhältnis für das Haus fortzusetzen. Auch die berechtigten Interessen der alten Dame stehen dem nach Einschätzung des Gerichts nicht entgegen.
Das OLG verwies darauf, die alte Dame könne auch in die 70 Quadratmeter große Einliegerwohnung im großen Haus ihrer Tochter ziehen. Dort könnte auch ihre Pflege gewährleistet werden. So versetzt die Eigenbedarfskündigung die Mieterin in diesem Fall – auch angesichts ihrer sorgenfreien finanziellen Lage – nicht in eine ausweglose Situation. Der Fall macht einmal mehr deutlich, wie sehr eine Eigenbedarfskündigung von den Gerichten nach den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls abgewogen wird.
Dieser redaktionelle Beitrag wurde von Haus & Grund Rheinland Westfalen verfasst.
Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann Ihnen als Mitglied daher nur ein Rechtsberater in einem Haus & Grund – Ortsverein erklären.
Bitte beachten Sie, dass dieser Artikel nach seiner Veröffentlichung nicht mehr aktualisiert wird. Das Veröffentlichungsdatum ist über der Überschrift angegeben.